Weiterentwicklung der rekombinanten FVIII-Präpatate

Die pharmazeutische Industrie arbeitet ständig an der Optimierung ihrer Präparate.

So hat z.B. Bayer für das Produkt Kogenate® (Octocog alfa) ein Nachfolgeprodukt entwickelt: Kovaltry® (Octocog alfa). Es handelt sich weiterhin um den erprobten, rekombinanten humanen Faktor VIII (Octocog alfa). Bayer spricht von den Vorteilen eines innovativen Herstellungsprozesses und der Langzeiterfahrung. In den Informationen für die Fachkreise heisst es: Die besonders schonende Aufreinigung von Kovaltry®, z. B. durch Membranadsorption, sorgt für eine komplexere Glykosylierung und vollständigeres Sialinsäure-Capping. Eine komplexe Oligosaccharid-Hülle schützt Proteine vor dem Abbau durch Proteasen.  Im direkten Pharmakokinetik-Vergleich mit Advate® zeigte Kovaltry® eine höhere FVIII-Aktivität im Zeitverlauf (AUC) und erzielte dadurch mehr Zeit mit höheren Plasmaspiegeln. Für Ihre Patienten heißt das potentiell höhere FVIII-Talspiegel bei gleichem Dosierrhythmus – für viele eine Sicherheitsreserve im Alltag.  (Quelle: Bayer)

Auch Takeda (ehemals Shire, Baxalta, Baxter) hat ein vergleichbares Nachfolgepräparat zu Recombinate® (Octocog alfa) entwickelt: Advate® (Octocog alfa), hergestellt ohne Zusatz von menschlichen oder tierischen Plasmaproteinen und Albumin im Zellkulturverfahren, während der Reinigung und in der Endformulierung, wodurch das Risiko der Übertragung von Viren, die mit diesen Proteinen assoziiert sein können, ausgeschlossen ist.

Während bei den o.a. Präparaten in erster Linie der Herstellungsprozess optimiert wurde, besteht ein wirklich relevanter Schritt in der Weiterentwicklung der rekombinanten FVIII-Präparate in der Verlängerung ihrer sogenannten Halbwertzeit.

Rekombinante Faktor-VIII-Präparate mit verlängerter Halbwertzeit

Eine weitere Weiterentwicklung der Präparate besteht in der Verlängerung ihrer Wirkung (Halbwertzeit; HWZ). Dadurch muss nicht mehr alle 2-3 Tage, sondern evtl. nur alle 5 Tage gespritzt werden. Es bestehen zwei Verfahren:

1.) Der Faktor VIII wird an ein körpereigenes Eiweiß (Immunglobulin oder Albumin) gebunden. Dadurch wird eine HWZ-Verlängerung erreicht. Diese sogenannten Fusionsproteine können vollständig vom Körper abgebaut und recycelt werden.

  • Efmoroctocog alfa (rekombinanter humaner Gerinnungsfaktor VIII, FC-Fusionsprotein, Handelsname Elocta®; Hersteller Sobi) wurde 2015 in der EU zugelassen.* Elocta® war das erste Therapeutikum gegen Hämophilie A in der EU, das einen längeren Schutz vor Blutungen geboten hat. Laut Fachinformation können bei einer Therapie mit diesem Präparat nur alle drei bis fünf Tage prophylaktische Injektionen notwendig sein.

2.) Die Wirkstoffe werden mit Polyethylenglycol (PEG) verbunden. Diese „Pegylierung“ wird in der Pharmazie für zahlreiche andere Substanzen zur HWZ-Verlängerung verwendet.

  • Im Februar 2018 wurde Adynovi® (Hersteller Shire Takeda / Wirkstoff: Rurioctocog alfa pegol – ein kovalentes Konjugat von Octocog alfa) zugelassen.*
  • Jivi® (Hersteller Bayer / Wirkstoff: Damoctocog alfa pegol) gibt es seit Januar 2019.*
  • Und im Juni 2019 wurde Esperoct® (Hersteller Novo Nordisk / Wirkstoff: Turoctocog alfa pegol) zur Behandlung und Prophylaxe von Blutungen bei Hämophilie A zugelassen.*

Eine weiteres Produkt mit verlängerter HWZ – Afstyla® (Hersteller CSL Behring / Wirkstoff: Lonoctocog alfa) – wurde Januar 2017 zugelassen.* Afstyla® weist eine höhere Affinität zum von Willebrand Faktor (vWF) auf. VWF stabilisiert Faktor VIII und verhindert dessen Abbau.

Sanofi entwickelt gemeinsam mit dem schwedischen Unternehmen Orphan Biovitrum (Sobi) ein einmal wöchentlich zu verabreichendes Hämophilie-A-Präparat Efanesoctocog alfa (BIVV001). Es befindet sich in Europa noch im Zulassungsverfahren. Die amerikanische Zulassungesbehörde FDA püfte den Antrag vorrangig. Die US-Behörde es im Februar 2023 zugelassen (s.a. die englische Pressemeldung vom 23. Februar 2023).

Eine vollständige Übersicht findet sich auf der Website der IGH.

* Die Zulassungsdaten beziehen sich immer auf die Europäische Union.

Der Nachteil der unerwünschten Nebenwirkung in Form einer Hemmkörper-Hämophilie besteht bei all den o.a. Präparaten weiterhin. Ausserdem stellen die niedrigen Talspiegel unter der FVIII-Prophylaxe immer noch ein erhöhtes Risiko von Blutungen dar.