Hemmkörper-Hämophilie

Die häufigste Behandlungskomplikation ist die Hemmkörper-Hämophilie

Die häufigste Behandlungskomplikation der schweren Hämophilie besteht in der Entstehung eines Antikörpers (sogenannter Hemmkörper) gegen das Faktorkonzentrat (Hemmkörper-Hämophilie). Sie tritt bei circa 30 % der Patienten auf, insbesondere während der ersten Behandlungszeit im frühen Kindesalter und häufiger bei Hämophilie A als bei Hämophilie B.

Die Gabe / Substitution eines Gerinnungsfaktors bleibt dadurch weitgehend wirkungslos, und es kommen entweder – seit 2018 – der Antikörper Emicizumab oder – früher – „bypassing“-Präparate, wie aktiviertes Prothrombinkomplex-Konzentrat oder rekombinant hergestellter aktivierter Gerinnungsfaktor FVII (rFVIIa), zum Einsatz. Bei circa 80 % der Patienten führt eine sogenannte Immuntoleranztherapie mit regelmäßigen, hoch dosierten und über einen längeren Zeitraum verabreichten Infusionen des Gerinnungsfaktors zu einer Elimination des Hemmkörpers.

Das Risiko des Auftretens von Hemmkörpern ist multifaktoriell bedingt. Die Bedeutung der Wahl des Faktorkonzentrats plasmatischen oder rekombinanten Ursprungs wird hierbei kontrovers diskutiert.

J. Wight und S. Paisley betonen 2003 die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Prävalenz, Inzidenz und kumulativer Inzidenz von Inhibitoren bei Hämophilie A. Prävalenz gibt den Anteil der Erkrankten zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder. Inzidenz gibt den Anteil der Neuerkrankten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes wieder.

Die Daten zur Inzidenz und kumulativen Inzidenz umfassen Patienten mit transienten Inhibitoren oder deren Inhibitoren, die durch die Behandlung eliminiert wurden. Da diese nicht in den Prävalenzdaten enthalten sein werden, werden Prävalenzstudien tendenziell niedrigere Zahlen ergeben als Inzidenzstudien. Infolgedessen stammen die genauesten Schätzungen des tatsächlichen Risikos der Hemmstoffentwicklung aus prospektiven Studien mit neu diagnostizierten Bluterkranken, die regelmäßig auf das Vorhandensein von Hemmstoffen getestet werden.

Ihre Arbeit „The epidemiology of inhibitors in haemophilia A: a systematic review“ liefert eine systematische Übersicht der besten verfügbaren Evidenz zur Epidemiologie von Inhibitoren in Hämophilie-A-Studien. In die Übersicht wurden Kohortenstudien, Registerdaten zur Inzidenz oder Prävalenz von Inhibitoren bei Patienten mit Hämophilie A und prospektive Studien zu Faktor VIII (FVIII) bei der Behandlung von zuvor unbehandelten Patienten aufgenommen, die über die Entwicklung von Inhibitoren als Ergebnis berichteten.

Die Gesamtprävalenz von Inhibitoren in unselektierten Hämophilie-Populationen lag bei 5-7%. Das kumulative Risiko der Hemmstoffentwicklung variierte (0-39%). Inzidenz und Prävalenz waren bei Patienten mit schwerer Hämophilie wesentlich höher. Studien mit Patienten, die ein einzelnes aus Plasma gewonnenes FVIII-Präparat verwendeten, berichteten über eine geringere Inhibitorinzidenz als Patienten, die mehrere plasmatische FVIII-Präparate oder einzelne rekombinante FVIII-Präparate verwendeten.

Quelle: Haemophilia, Volume9, Issue4 July 2003, 418-435 – The epidemiology of inhibitors in haemophilia A: a systematic review

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